Zum Weltfrauentag 2021: Therese Kneißl, eine von uns

Therese Kneißl am Grab ihres Sohnes Mathias
Therese Kneißl am Grab ihres Sohnes Mathias
Es gibt kein Bild von Therese Kneißl, der Mutter des berühmten Räubers. Doch auf dieser Zeichnung aus einer zeitgenössischen Zeitung scheint sie mir gut getroffen zu sein. Die Skizze zeigt sie am Grab ihres Sohnes Mathias nach dessen Hinrichtung im Februar 1902 in Augsburg.

Da steht kein vom Kummer gebrochenes Weiblein, sondern eine in ihrem Schmerz wütende, kämpferische Frau, die erhobenen Hauptes Anklage gegen Justiz und Gesellschaft erhebt: „Umbracht habt’s ihn, es Justizmörder!“, soll sie aufgebracht gerufen haben.

Wirklich viel wissen wir nicht über Therese Kneißl, die „Paschkalini-Res“. Sie war wohl sehr selbstbewusst und konnte gut schießen – was sie als Frau in der damaligen Zeit suspekt erschienen ließ. Von Zeitzeugen und in der Literatur über Mathias Kneißl wird sie – fast ausschließlich von Männern – als temperamentvolle, aufrührerische italienische Rassefrau dargestellt, ihr Mann Mathias hingegen als gutmütiger Lapp, der ihr nicht gewachsen war. Wohl auch deshalb hat man Therese Kneißl Zeit ihres Lebens mit negativen Zuschreibungen bedacht, „schwarze Res“ ist noch die freundlichste.

Italienische Wurzeln

Was wir wissen: Ihr Vater Alois Pascolini kam mit seinem Vater Peter als „Huckler“ aus der Lombardei, um diesseits der Alpen ihre Ware feilzubieten. 1823 kaufte Großvater Peter in Unterweikertshofen einen Kramerladen. Sohn Alois heiratete 1833 die Schneiderstochter Clara Rubin. Sie übernahmen den väterlichen Kramerladen.
Die beiden bekamen 6 Kinder, Therese war die jüngste, sie kam am 27. Februar 1847 zur Welt. Ihre Schwester Mathilde war es, die später Thereses Sohn Mathias an die Polizei verriet. Ihr Bruder Josef ist nach Amerika ausgewandert – zu ihm wollte Mathias, wäre er nicht 1902 hingerichtet worden. Ihr Bruder Johann Baptist kam 1871 bei einem Raubüberfall ums Leben. Seither standen die Pascolinis am Rande der Gesellschaft.

Therese war eine temperamentvolle junge Frau, die wohl vielen Burschen den Kopf verdreht hat. 1868 heiratet sie den Müller- und Schreinergesellen Mathias Kneißl. Die beiden bekommen elf Kinder, von denen fünf überleben, die anderen sterben schon kurz nach der Geburt.

Therese Kneißl: Wirtin, Wilderin, Hehlerin …

Zusammen mit ihrem Mann übernimmt Therese Kneißl  das elteriche Wirtshaus, den „Pascoliniwirt“. Schnell entwickelt er sich zu einem Umschlagsplatz für Hehler- und Wildererware. Es heißt, dass Theres lieber das Schießgewehr zum Wildern in die Hand nahm als den Kochlöffel.
Wildern war ein einträgliches Geschäft und galt damals auch als Aufbegehren gegen die ungeliebte Staatsgewalt.

Zur zeitlichen Einordnung: Wir befinden uns in der Prinzregentenzeit, vieles war damals im Umbruch, in Bayern setzte die Industrialisierung ein, es gab viel Hunger und Elend. Bayern war damals eine Art Polizeistaat, die Konzentration an Polizei war hier weitaus höher als in Preußen. 

… Ehefrau und Mutter

Ihren Söhnen Mathias und Alois bringt Therese schon früh das Schießen bei. Mathias ist musikalisch begabt und spielt schon in seiner Grundschulzeit im elterlichen Wirtshaus mit seinem Akkordeon auf, die Schule wird in der Familie nicht so ernst genommen.
Und so schreibt der Lehrer in seinem Beurteilungsbogen über Mathias: „Junge Musikanten – alte Bettler. Versteht jetzt schon die Harmonika besser zu handhaben als das Lesebuch und spielt zur Belustigung der Großen auf. Das kann doch gewiss keine gute Erziehung genannt werden!“ und 1884 Lehrer Jakob Hindinger: „Ein äußerst unwilliger und unfolgsamer Knabe. Zu diesen schönen Eigenschaften seine Mutter aber die Stange hält. Sehr gut wäre es, wenn der Knabe in eine Besserungsanstalt verbracht würde, vielleicht gelänge es noch, ihn zu retten (eine Zuchthauspflanze).“ Er schreibt auch von der „Affenliebe“, mit der Therese an ihren Söhnen hänge.

1886 ziehen die Kneißls in die abseits gelegene Schachenmühle bei Sulzemoos. Hier können sie von der Polizei weniger beobachtet ihren dubiosen Geschäften nachgehen. Kommen Gendarmen zur Kontrolle, schlägt Therese Kneißls Spitz rechtzeitig an zur Warnung.

Zwei Gnadengesuche für ihre Söhne

1892 wird zum Schicksalsjahr für die Familie: Therese und ihr Mann Mathias hatten die Wallfahrtskirche Herrgottsruh bei Aichach ausgeraubt. Der Verdacht fällt schnell auf sie. Ehemann Mathias stirbt nach seiner Verhaftung auf der Fahrt in Dachauer Gefängnis, Therese kommt wegen Hehlerei ins Gefängnis.
Nach ihrer Haftentlassung geht sie mit ihren Töchtern nach München und arbeitet als Haushälterin. In dieser Zeit reicht sie zwei Gnadengesuche für ihre inhaftierten Söhne Mathias und Alois beim Prinzregenten ein – ungewöhnlich für eine Frau ihres Standes! Ob sie diese selbst verfasst hat oder ob ihr jemand geholfen hat, weiß man nicht.

Als Mathias erneut straffällig geworden und auf der Flucht war, schickt sie ihm Nahrung und Kleidung. Auch besucht sie ihn wiederholt in seinen Unterschlüpfen in Pischertshofen und Geisenhofen.
Bei der Gerichtsverhandlung in Augsburg ist sie anwesend. Wie viele andere auch rechnet sie nicht mit seiner Hinrichtung. Als sein Todesurteil verkündet wird, schreit sie laut „Justizmord!“ und wird des Saales verwiesen.
Um ihm ein ordentliches Begräbnis zu ermöglichen, muss Therese Kneißl Mathias‘ Leiche nach seiner Hinrichtung 1902 freikaufen.  Zahlreiche Schaulustige säumen den Weg zu seiner Beisetzung.

Therese Kneißl überlebte alle ihre Kinder

Manchmal ist zu lesen, Therese Kneißl sei nach dem Tod aller ihrer Kinder nach Amerika ausgewandert. Das ist unwahrscheinlich: Zum einen war sie da schon Ende 50, zum anderen dürfte ihr wohl auch das Geld dafür gefehlt haben.
Im März 1920 ist sie das letzte Mal in München gemeldet. Danach verlieren sich ihre Spuren.

Therese Kneißl war sicher eine ambivalente Frau. Und sie war weit von dem entfernt, was man damals eine honorige Person nannte. Doch gerade für ihre Unbeugsamkeit  und ihren Kampfgeist verdient sie unseren Respekt.

 

 

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