Märchen faszinieren bis heute. Dass sie mehr als zauberhafte Geschichten sind, zeigt die aktuelle Märchenausstellung am Jexhof.
Märchen erzählen nicht nur von wundersamen, sprechenden Tieren und magischen Gestalten. Sie vermitteln nicht nur die Gewissheit, dass ihre guten Helden das Böse am Ende eines oft langen Leidensweges schließlich doch besiegen und danach „glücklich bis an ihr Lebensende“ leben. Vielmehr beinhalten diese vermeintlich einfachen Geschichten allgemeingültige Erfahrungen mit meist psychologischem Gehalt. Und wenngleich die Handlungsorte oft geheimnisvoll verfremdet sind, lugt hinter der idyllisch anmutenden Fassade häufig die harte Lebenswirklichkeit der einfachen Bevölkerung hervor.
Märchen vom Lande spiegeln den harten bäuerlichen Alltag wider
Dem geht die aktuelle Winter-Ausstellung am Jexhof nach. „Stroh zu Gold. Märchen und ihr ländliches Lebensumfeld“ heißt sie. Neben bekannten Märchen wie „Hänsel und Gretel“, „König Drosselbart“ oder „Hans im Glück“ haben wir auch solche ausgesucht, von denen die meisten vermutlich noch nie gehört haben:
„Das Bürle“ zeigt, wie ein Mann aus der unterbäuerlichen Schicht durch seine Gewitztheit die reichen Bauern überlistet. Zudem klingt hier, wie auch in „Der Bauer und der Teufel“, das Thema Fruchtfolgewirtschaft und deren Auswirkungen für die Nutzung der Allmende an.
Auch „Die ungleichen Kinder Evas“ stammen aus der Märchensammlung der Brüder Grimm. Die Geschichte versucht, die überkommene Ordnung der Ständegesellschaft zu rechtfertigen. – Dies befremdet umso mehr, wenn man bedenkt, dass die Grimms Mitglieder der „Göttinger Sieben“ waren, einem Zusammenschluss von Professoren, die im 19. Jahrhundert für eine liberale Verfassung im Königreich Hannover kämpften und deshalb ihre Lehrstühle verloren.
Auch die „klassischen“ Märchen verweisen auf die bäuerliche Lebenswelt
„Die Gänsemagd“ entspricht mit dem sprechenden Pferd Falada und den enthaltenen magischen Reimen ganz dem klassischen Märchentypus. Von der Kammerzofe zum Rollentausch gezwungen, stellt man die eigentliche Prinzessin am Hofe ihres Bräutigams dem Hütejungen Kürdchen zur Seite. Womit sie an der untersten Stufe der bäuerlichen Dienstbarkeiten angelangt ist.
Bei diesem Märchen freut es uns übrigens besonders, dass uns der Konzeptkünstler Ottmar Hörl einen goldfarbenen Pferdekopf zur Verfügung gestellt hat. Falls jemand Interesse hat: Man kann ihn über den Hörl Online-Shop kaufen. Anders Paul Wilhelm Keller-Reutlingens „Gänsemagd“: Wer dieses anmutige Ölgemälde aus der Zeit um 1890 bestaunen möchte, hat in unserer Ausstellung die Gelegenheit dazu, ehe es wieder im Depot der Fürstenfeldbrucker Sparkassenstiftung eingelagert wird.
Ein ganz anderes Kaliber von Frau stellt „Die kluge Bauerntochter“ dar: Weil sie ein Rätsel des Königs lösen kann, nimmt er sie zur Frau. Hier begegnen sich also Bauerntochter und König auf Augenhöhe. Ein ausgestellter Heiratsvertrag von 1772 bringt dann die Ernüchterung: Ehen wurden früher in der Regel aus wirtschaftlichen Beweggründen innerhalb der eigenen Schicht geschlossen. Ehen über die Standesgrenzen hinweg gehörten demnach tatsächlich in den Bereich der Märchen.
Zeit bleibt im Märchen ziemlich vage
Wenn Zeitangaben in Märchen über das allgemeine „Es war einmal“ hinausgehen, wird zumeist der Winter thematisiert. ‑ Passend für unsere Winterausstellung! Das Märchen „Vom langen Winter“ macht sichtbar, wie wichtig in früheren Zeiten eine umsichtige Vorratshaltung war, wollte man gut über den Winter kommen.
Nun wünsche ich unserer Ausstellung viele neugierige Besucherinnen und Besucher.
An den Januarsonntagen sowie am 10. und 17. Februar bieten wir jeweils von 13:00 Uhr bis 14:00 Uhr kostenlose öffentliche Führungen an. Gruppenführungen können über das Landratsamt unter jexhofverwaltung@lra-ffb.bayern.de oder Tel. 08141 / 519205 gebucht werden.
Beiträge in der örtlichen Presse:
Fürstenfeldbrucker Tagblatt
Süddeutsche Zeitung
Augsburger Allgemeine
Beiträge zu anderen Jexhof-Ausstellungen im Blog:
Kleidung, Tracht und Gwand
Mission, Nickneger und Geflüchtete