So tragisch wie ihr Leben war auch ihr Tod: Vor 100 Jahren hat sich die Schriftstellerin Lena Christ auf dem Münchner Waldfriedhof das Leben genommen.
In den „Erinnerungen einer Überflüssigen“ beschreibt Lena Christ zunächst sieben Jahre unbeschwerter Kindheit bei den Großeltern in Glonn. Doch dieses Glück endet jäh, als ihre Mutter sie nach München holt. Sie hat dort inzwischen geheiratet und betreibt mit ihrem Mann eine gut gehende Gastwirtschaft. Hatte sich Lena bisher ein Traumbild von ihrer Mutter erschaffen, kommt schnell die Ernüchterung. Nicht nur, dass sie im Wirtshaus schwer schuften muss: Wiederholt wird sie von ihrer Mutter so schlimm geschlagen, dass der Stiefvater dazwischengeht.
Lena Christ und ihre Mutter: in einer Hassliebe miteinander verbunden
Zwar flieht Lena vor den körperlichen und seelischen Misshandlungen der Mutter ins Kloster Ursberg. Aber schnell leidet sie unter der Bigotterie und den Schikanen mancher Schwestern. So kehrt sie mit der Unterstützung ihre Mutter wieder ins elterliche Wirtshaus zurück.
Alsbald entbrennt ein regelrechter Hochzeiterwettbewerb um die tüchtige, schöne und schlagfertige „Wirtsleni“. Umso tragischer ist Lenas Wahl: Schnell entpuppt sich ihr Ehemann als gewalttätig und zunehmend alkoholsüchtig. Schließlich verlässt sie ihn, körperlich und finanziell zerrüttet. Während die Schwiegereltern ihren Enkel zu sich nehmen, muss Lena die beiden Töchter nach einem körperlichen Zusammenbruch ins Waisenhaus geben.
Ihre schöne Handschrift hat Folgen für ihren weiteren Lebensweg
Dank ihrer schönen Handschrift kann Lena sich mit Schreibarbeiten Geld verdienen. So lernt sie Peter Jerusalem kennen. Mit ihm zieht sie von April bis September 1911 nach Fürstenfeldbruck, in eine kleine Mansardenwohnung in der Dachauer Straße 8. In dieser Zeit entsteht der erste Teil der „Erinnerungen einer Überflüssigen“, ermutigt und protegiert von Peter Jerusalem.
Zurück in München erscheint Lenas Romandebüt und die beiden heiraten. Nun kann sie ihre Mädchen wieder zu sich nehmen. Sie erlebt eine kurze unbeschwerte Zeit in Münchens Künstlerkreisen, ist befreundet mit Ludwig Thoma und anderen Schriftstellern. Ihre Romane werden von der Kritik begeistert aufgenommen.
Die Wirren der (Nach)kriegszeit beeinflussen Lena Christs Schicksal
Gegen Ende des Ersten Weltkriegs trennt sich Lena auch von Peter Jerusalem. Eine Affäre mit einem jüngeren Musiker endet unglücklich. Die Inflation bringt sie erneut in finanzielle Schwierigkeiten. In ihrer Not verkauft sie Bilder, die sie mit gefälschten Signaturen versehen hat. Als der Betrug auffliegt, nimmt sie sich am 30. Juni 1920 auf dem Münchner Waldfriedhof das Leben.
„Das Leben hielt mich fest und suchte mir zu zeigen, dass ich nicht das sei, wofür ich mich so oft gehalten, eine Überflüssige“, so enden Lena Christs „Erinnerungen einer Überflüssigen“. Doch obgleich sie selbst ihr Leben losgelassen hat: Lena Christ war keine Überflüssige.
Am 30. Juni 2020, dem 100. Todestag von Lena Christ, zeigt das Lichtspielhaus in Fürstenfeldbruck den ersten Teil der Verfilmung ihrer „Rumpelhanni„. Monika Baumgartner, die die Rumpelhanni 1981 gespielt hat, wird dabei sein. Ich moderiere die Veranstaltung.