Das Stiglmaier-Haus in Fürstenfeldbruck

© Elisabeth Lang
Die Zeit für das Stiglmaier-Haus in Fürstenfeldbruck scheint um zu sein. Es soll in Kürze abgebrochen werden.

Im Buch Kohelet im Alten Testament heißt es, dass alles eine bestimmte Zeit habe. Dass es eine Zeit zum Niederreißen und eine Zeit zum Bauen gebe. Ich meine aber, dass es für manche Gebäude überhaupt keinen richtigen Zeitpunkt zum Abriss gibt. Weil sie allezeit ihre Daseinsberechtigung haben. So auch das alte Stiglmaier-Haus.

Zugegeben, so wie es jetzt dasteht, sieht man dem Gebäude an, dass es seine schönsten Zeiten hinter sich hat. Jede Generation von Bewohnern hat es so umgebaut, wie es für sie zweckmäßig war. Die äußere Schönheit stand dabei offensichtlich nicht immer im Vordergrund. Wegen der zahlreichen Umbauten hat es auch der Denkmalschutz als nicht schützenswert eingestuft. Und rein rational betrachtet mag man es dem jetzigen Besitzer nicht verdenken, dass er an dieser Stelle mitten in der Stadt ein größeres, vermutlich gewinnoptimiertes Gebäude errichten möchte.
Aber sind es nicht oft gerade so unvollkommene Orte und Dinge, die uns innehalten lassen? Die uns das Gefühl geben, dass hier etwas „aus der Zeit gefallen“ und deshalb besonders ist? Eben weil sie sich wegen ihres Aussehens von der zeitgemäßen Umgebung abheben? Das Stiglmaier-Haus ist so ein Ort mitten in Fürstenfeldbruck.

Das Stiglmaier-Haus – ein geschichtsträchtiger Ort in Fürstenfeldbruck

Zudem hat gerade dieses altehrwürdige Bürgerhaus seine ganz besondere Geschichte: Die Geschichte des kunstfertigen Hufschmieds Augustin Stiglmaier, auch der „Hennenschmied“ genannt. Denn man sagte ihm nach, dass er sein Handwerk so geschickt beherrsche, dass er sogar einer Henne ein geeignetes Hufeisen schmieden könne. Die Geschichte seines jüngsten, in diesem Gebäude geborenen Sohnes Johann Baptist, der sich weit über die Grenzen Münchens hinaus als Erzgießer einen Namen machte. Und die Geschichte seiner Tochter Julie, deren Sohn Ferdinand und Enkel Oskar weltweit Ruhm erlangten. Der eine als Schöpfer der Bavaria, der andere als Gründer des Deutschen Museums. – Wie oft mögen die beiden wohl im Haus ihrer Groß- bzw. Urgroßeltern gewesen sein?
Es ist mir völlig unerklärlich, warum die Stadt ein Haus mit so viel Geschichte ohne großes Aufsehen zum Abriss freigegeben hat!  – In München hat man einen Platz nach Johann Baptist Stiglmaier benannt, in Bruck reißt man sein Geburtshaus ab!

Im Buch Kohelet heißt es ein paar Verse weiter: „Man kann nichts hinzufügen und nichts abschneiden.“ Die Stadt hätte den Eigentümer des Grundstücks als Gegenleistung für den genehmigten Abbruch wenigstens dazu verpflichten können, zu Dokumentationszwecken einen Plan des Hauses erstellen zu lassen und am Neubau eine Gedenktafel hinzuzufügen. Doch sogar das hat sie anscheinend versäumt! Und selbst wenn es eine Erinnerungstafel geben sollte: Sie kann das Gefühl für einen historisch gewachsenen Ort niemals ersetzen. Vielmehr wäre eine solche Gedenktafel eher ein Feigenblatt, das typisch ist für unsere Zeit, die stets um korrektes Verhalten bemüht und komplett durchrationalisiert ist.
Die große Kreisstadt erweist ihren großen Söhnen so jedenfalls keine große Ehre.

Siehe dazu auch:
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/fuerstenfeldbruck/denkmalschutz-buergerhaeuser-vor-dem-abriss-1.3833571

 

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