Die Kunst, das Besondere festzuhalten

© Alexander Tutsek-Stiftung;  Rinko Kawauchi, courtesy / PRISKA PASQUER, Köln

Künstlerische Glanzleistungen, die das Besondere eines Augenblicks einfangen, gibt es derzeit in der Alexander Tutsek-Stiftung in München zu sehen. Gezeigt werden Fotografien der Japanerin Rinko Kawauchi und Glasobjekte von 21 weiteren zeitgenössischen Künstlern ihres Landes.

Der Titel der Ausstellung „lebenswelt / life-world“ spielt an Edmund Husserls philosophisches Konzept der Phänomenologie an: Die unmittelbar gegebene Alltagswelt wird subjektiv erlebt, interpretiert, festgehalten und in Bezug zur Umwelt gesetzt. So scheinen auch die ausgestellten Kunstwerke fixierte Momentaufnahmen des eben Wahrgenommenen zu sein.

Zudem zeichnen sich alle Werke durch ihre künstlerische Akribie und die Besonderheit ihrer Techniken aus. So verbindet man etwa mit den Objekten von Yoshiaki Kojiro die Leichtigkeit und Fluffigkeit eines Marshmallows, obgleich etwa „Hatate II“ über 50 Kilo schwer ist. Der Grund dafür liegt in Kojiros Technik, Glas aufzuschäumen.
Ähnlich verhält es sich bei den preisgekrönten Werken Sachi Fujiakes. Man meint, soeben aus der Form geratene Kissen vor sich zu haben. Tatsächlich jedoch steht man äußerst exakt sandgestrahlten, geblasenen Glasobjekten gegenüber.

Das nach innen Gerichtete als das Besondere des Augenblicks

Am meisten angesprochen haben mich aber folgende Kunstwerke:
Yuko Fujitsukas Andachtshaus „One week for meditation“. Schon auf Anhieb vermittelt das aus mehreren Glasplatten verschmolzene und geklebte Haus den Eindruck von Klarheit und Ruhe. Dennoch birgt es beim Blick durch die Fenster Überraschungen in seinem Inneren.
Ganz in sich versunken wirkt die in der Nähe sitzende Figur Masayo Odahashis. Die Frau in ihrem durchscheinenden blasslila Kleid ruht in dem, was sie in ihren Händen hält: glasklares Wasser. „Calm of water V“ ist denn auch ein sehr treffender Titel für dieses faszinierende Kunstwerk.

Die zwei großformatigen Fotografien „Untitled“ von Rinko Kawauchi scheinen mit den beiden Glasobjekten in Bezug zu stehen: In der Region um Aso hat sie die traditionelle Brandrodung fotografisch begleitet. Eines der beiden Bilder zeigt den Fortgang des Feuers in dem Moment, als genau die Hälfte des Berges niedergebrannt ist. Der so entstandene Kontrast zwischen dunkel und hell erinnert an ein klares geometrisches Gebilde. Die zweite Aufnahme zeigt denselben Berg ein paar Monate später: Durch die schneeüberzuckerte Landschaft zeichnen sich frisch sprießende grüne Grashalme ab, wie mit feinem Pinselstrich aufgetragen. Auch hier vermitteln die klaren, reduzierten Formen und Farben den Eindruck von Stille und Innerlichkeit.

All diese Werke scheinen mir mit Goethe zuzurufen: Verweile doch, du bist so schön!
Noch bis 30. Juni kann man vor ihnen verweilen. Die Stiftung bietet zudem regelmäßig – sehr fundierte und empfehlenswerte – Führungen durch die Ausstellung an. Näheres dazu unter: http://www.atstiftung.de

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